
[…] Manchmal ändern sich unsere Lebensumstände und wir verändern unseren Blickwinkel, unsere Ansichten. Das kann unbemerkt geschehen, unbewusst, aber auch zwingend und unerwünscht.
Oder aber bewusst und gezielt.
Denn eigentlich ist der Wechsel der gewohnten Sichtweise eine gute Methode, um Dinge, Situationen und vor allem Menschen aus einer neuen Richtung zu betrachten, zu überdenken. Unseren Blick, unser Tun und unsere Beziehungen zu überprüfen. Etwas „zu durchschauen“ und auch „Hinter die Dinge blicken“. Oft lassen sich so auch Probleme bewältigen.
Denn die Haltung „ich sehe das so…“ verspricht nur eine wage und egozentrische Sicherheit und öffnet uns auch nicht für Neues.
Denn: Was sehen wir? Und: Wie sehen wir denn etwas? Sehen wir es richtig? Gibt es ein „richtig“?
Gibt es mehr als ein „richtig“? […]
Um etwas neu zu betrachten, um das Positive, das Schöne zu sehen, bedarf es oft eine bewusste Entscheidung und fast immer einen anderen Menschen. Der erzählt, wie er die Dinge sieht und es im besten Falle vorlebt. Die uns hilft, einen Schritt zurückzugehen.
Wir, als Eltern und Lehrer sind da besonders gefordert… und auch beglückt:
Wir dürfen an der Sichtweise unserer Kinder und Schüler teilhaben. Hier wird der Begriff Teilhabe noch einmal von einer ganz anderen Seite betrachtet. Wieder ein Wechsel der Perspektive
Liebe Stefanie, liebe Ezgi, liebe Eltern, hier kommt die Stelle in meiner kleinen Rede, an der ich mich bei Ihnen bedanken möchte. Dafür, dass Sie mir geholfen haben, so manches mit anderen Augen zu sehen. Sie halfen mir auch dabei, dass das, was ich plante, was ich vorhatte, was mir wichtig war, neu zu betrachten und dann oft genug zu verändern und an Ihre Lebenswelt anzupassen.
Danke, dass ich mich durch Sie immer wieder auch über kleine Dinge im Schulalltag freuen konnte.
Danke, dass Sie mir zeigten, was wir mit Geduld und Lebensbejahung erreichen können.
Ich hoffe sehr, dass Sie nun bereit sind für den nächsten Schritt. Dass Sie Ihre Segel setzen können und mit voller Kraft losziehen. Dafür bereit sind, die Welt nicht mehr als Schülerinnen zu sehen, sondern als Erwachsene, als Jemanden, die mitgestalten und mittragen kann.
Und wenn Sie dann auf Ihrem Segelschiff des Lebens unterwegs sind, dann wünsche ich Ihnen, dass Sie beim Zurücksehen zufrieden und glücklich sein werden.
Kurz bevor ich das Haus verlasse, fällt mein Blick auf ein Kärtchen, das im Zentrum der Familie, in der Küche aufgehängt ist:
Sei Dankbar, steht da
Früh wach – lebendige Kinder
Haus voller Unordnung – ein Dach über den Kopf
Schon wieder Regen – Gut für den Garten
Der tägliche Einkauf – Versorgung gesichert
Berge von Wäsche – Genug zum Anziehen
Stapel von Abwasch – Alle sind satt
Bus verpasst – geschenkte Zeit
Jede Menge Lärm – Menschen um mich her
Erschöpft ins Bett – ein Tag voller Leben!
Jörg Krahmer, Klassenlehrer der Berufschulstufe